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Mit Holzhämmern auf Wählerfang

Im Standard vom 26. August hatte Klestil-Wahlkampfmanager Gerhard Feltl in zehn Thesen die Zukunft der politischen Werbung umrissen.

Das Bemerkenswerteste an Gerhard Feltl Thesen ist wohl, dass darin die Auseinandersetzung über politische Ziele keine Rolle spielt: Die Wahlforschung ermittelt die Bedürfnisse der Wähler und Wählerinnen, die von den Spitzenkandidaten zu „symbolisieren“ sind – und fertig.

Damit kommt schlagartig zum Ausdruck, worauf sich Demokratie westlicher Prägung in ihrem Kernbereich – der Wahlentscheidung als Grundlage für legitime Machtausübung – heute stützt, nämlich auf die erfolgreiche Vermittlung emotionaler Eindrücke, wobei Feltl treffend anmerkt, dass deren subjektiver Wahrnehmungsgehalt mit dem objektiven Wahrheitsgehalt nicht übereinstimmen muss. (Den Beweis für diese These hat Feltl im Klestil-Wahlkampf mit der Vermarktung der vorgeblich glücklichen – im Grunde irrelevanten – Familienlebens des Kandidaten Klestil eindrucksvoll erbracht.)

Strukturwandel

Damit ist eigentlich nichts Neues gesagt, in ihren Grundzügen entspricht diese Tendenz jenem tiefgreifenden Strukturwandel der Öffentlichkeit, den Jürgen Habermas bereits im Jahr 1962 hervorragend analysiert hat. Die Frage ist, was diese Form von Kommunikation für die Leistungsfähigkeit unseres politischen Systems bei der Bewältigung seiner Herausforderungen bedeutet, z.B. bei der Notwendigkeit, in Zeiten starker Migrationsbewegungen das friedliche Zusammenleben von Menschen in- und ausländischer Herkunft zu gewährleisten. Professionelle politische Kommunikation versucht, Wählermehrheiten durch das Ansprechen der Motivationslagen hinter den Themen der Politik zu gewinnen (Feltl, These 1).

Die Motivationslage hinter dem Ausländerthema ist großteils Angst – Angst, die immer vielschichtig ist und häufig losgelöst von realen Bedrohungen entsteht. Es ist völlig logisch, dass es Wahlkämpfer gibt, die diese Angst als Kapital ihres political marketings erkennen und sie in ihren Wahlkampagnen gezielt ansprechen und bestätigen, ja sogar verfestigen und ausbauen wollen, um sie stimmbringend zu nutzen. Der Versuch, dieses Ängste zu relativieren und die Möglichkeiten eines friedlichen Zusammenlebens herauszuarbeiten, wird durch diese Art politischer Kommunikation jedenfalls in erheblichem Ausmaß erschwert.

Eindeutige Tendenz

Zugegeben, das Beispiel ist ein Holzhammer. Nicht jedes politische Thema hat einen gleich gefährlichen emotionalen Hintergrund und nicht jeder Wahlkämpfer schlägt auf dieselbe Weise in die emotionale Kerbe. Die Tendenz in der politischen Werbung geht jedoch eindeutig in die Richtung, Themen zu suchen, genauer: zu entwickeln, die für eine ähnliche Emotionalisierung geeignet sind (vgl. etwa das Thema Sicherheit).

Felts Thesen sollen daher nicht isoliert im Raum stehen. Ich ergänze sie um fünf weitere Thesen zur politischen Kommunikation:

1. Die Entwicklungstendenzen politischer Werbung nach den Gesetzen der kommerziellen Webewirtschaft ist eine Realität, der sich de facto keine relevante politische Partei entziehen will. Diese Realität birgt die Gefahr in sich, dass das politische System sukzessive von Wahlkampf zu Wahlkampf die Grundlagen seiner Handlungsfähigkeit – unter diesen der mündige Bürger – zerstört.

2. Politische Kommunikation hat viele Facetten, wo jedoch die Auseinandersetzung über politische Anliegen und Zielvorstellungen gänzlich fehlt, ist sie keine mehr.

3. Diese Auseinandersetzung braucht immer wieder auch Räume, die ermöglichen, dass Bürger ihre Ziele klären bzw. präzisieren, ihre Erfahrungen austauschen, sich erforderliches Wissen aneignen und auf dieser Basis mit Politikern, Experten und Beamten darüber kommunizieren können, wie ihre Anliegen umgesetzt werden.

4. Die theoretischen Grundlagen, diese Räume zu schaffen und auch sogenannte einfache Menschen zur politischen Auseinandersetzung zu aktivieren, sind von der modernen Erwachsenenbildung – auch in Österreich – entwickelt worden und stehen zur Verfügung (Stichwort Retzer Theorie, Schmidl 1981 bzw. Bildung und Landwirtschaft, Heintel 1989).

Es liegt an den Institutionen der Erwachsenenbildung, auch der politischen Bildungseinrichtungen der Parteien, die entwickelten und praktisch erprobten Methoden in ihrer Bildungsarbeit auch einzusetzen.

5. Instrumente der Erwachsenenbildung als Form der politischen Kommunikation können im Gesamtzusammenhang der Öffentlichkeit schwerlich eine dominierende Rolle spielen.

Es ist allerdings möglich und notwendig, einen Erfahrungsaustausch zwischen jenen, die politisches Marketing und jenen, die politische Bildungsarbeit leisten, in Gang zu setzen. Es wäre solcherart vielleicht möglich, aus den Erfahrungen der aktivierenden Bildungsarbeit Ideen zu entwickeln, wie politische Werbung zur Festigung demokratischer Traditionen und zur Aktivierung von Staatsbürgern beitragen kann – oder zumindest nicht mehr das Gegenteil bewirken muss.

Dr. Karl Staudiner, Jurist und Erwachsenenbildner, lebt in Wien.