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Die oö Gemeindeordnung legt fest, dass nicht-öffentliche Sitzungen zugleich auch vertraulich sind. Damit stellt sich die Frage nach dem Unterschied zwischen Vertraulichkeit und Nicht-Öffentlichkeit. Die Nicht-Öffentlichkeit meint den Ausschluss von Zuhörer/innen von Sitzungen. Damit wird zunächst einmal bewirkt, dass unter den teilnehmenden Mandatar/innen offen auch über Angelegenheiten gesprochen werden kann, die der Öffentlichkeit wegen gesetzlicher Verschwiegenheitspflichten verborgen bleiben sollen. Diese Möglichkeit ist deshalb von eminenter Bedeutung, da ansonsten die durch die Geheimhaltungspflichten zu schützenden Interessen nicht geschützt werden könnten.
Zur Veranschaulichung sei hier kurz eine Darstellung der Rechtslage in Niederösterreich eingefügt: Nach der nö Gemeindeordnung bezieht sich die Geheimhaltepflicht der Sitzungs-Teilnehmer/innen bei nicht-öffentlichen Sitzungen nur auf die Sitzungsinhalte, die von der Verschwiegenheitspflicht betroffen sind, nicht aber auf die übrigen Teile. Wenn etwa in einer Sitzung des Personalausschusses in einer nö Gemeinde zuerst über den Dienstpostenplan und anschließend über Fehlleistungen von einzelnen Gemeindebediensteten gesprochen wird, so können die Sitzungs-Teilnehmer/innen über die Beratungen zum Dienstpostenplan die Öffentlichkeit informieren, über die Beratungen zu den Fehlleistungen einzelner Gemeindebediensteter jedoch nicht.
In Oberösterreich enthält die Gemeindeordnung - wie erwähnt - zusätzlich zum Ausschluss der Öffentlichkeit noch die Anordnung, dass "Beratung und Beschlussfassung in nichtöffentlichen Sitzungen ... vertraulich" sind. Damit soll eine spezielle Schweigepflicht eingeführt werden, deren Ziel der Schutz des sogenannten Beratungsgeheimnisses ist. Das Beratungsgeheimnis soll eine unbefangene und offene Aussprache der Teilnehmer/innen einer Sitzung gewährleisten und verhindern, dass im Ausschuss vertretene Meinungen in der Öffentlichkeit politisch verwertet werden. Bemerkenswert an der Regelung der oö Gemeindeordnung: Die Vertraulichkeit gilt von Gesetzes wegen für alle nichtöffentlichen Sitzungen. Eine Aufhebung dieser Vertraulichkeit ist gesetzlich nicht vorgesehen.
Auch diese Verschwiegenheitspflicht - gerade diese! - steht in einem Spannungsverhältnis zur Meinungsäußerungsfreiheit nach der Menschenrechtskonvention. Die Vertraulichkeit der Sitzungen gilt daher grundsätzlich nur so weit, als "die Geheimhaltung notwendig ist, um in einer demokratischen Gesellschaft ... die Verbreitung vertraulicher Nachrichten zu verhindern", wobei - nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte damit ein "zwingendes soziales Bedürfnis" verbunden sein muss. Es kann allerdings schwerlich behauptet werden, dass die gesetzliche Vertraulichkeit aller nichtöffentlichen Sitzungen von Gemeindegremien in einer demokratischen Gesellschaft wie der österreichischen einem zwingenden sozialen Bedürfnis entspricht. Den Gegenbeweis dafür bieten etwa die Gemeindeordnungen der Steiermark, Niederösterreichs, Kärntens und Burgenlands, in denen die Vertraulichkeit entweder nur auf gesonderten Beschluss des betreffenden Gremiums gilt oder im Gesetz nicht genannt ist. Da auch die Gesellschaften dieser Bundesländer als demokratisch bezeichnet werden müssen, erbringen sie den Beweis, dass die gesetzlich verankerte Vertraulichkeit aller nichtöffentlichen Sitzungen von Gemeindegremien keineswegs einem zwingenden sozialen Bedürfnis entspricht.
Die Vertraulichkeit von nichtöffentlichen Gemeinderatssitzungen, Sitzungen der Gemeinderatsausschüsse und des Gemeindevorstands (Stadtrats) schafft damit keine Verschwiegenheitspflichten, die über die bereits genannten Pflichten (Amtsverschwiegenheit, Datenschutz) hinausgehen. Eine andere Interpretation widerspricht den völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs aus der Meinungsäußerungsfreiheit nach der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass die "Vorbereitung einer Entscheidung" im Rahmen der Amtsverschwiegenheit einen Geheimhaltungstatbestand bilden kann, der dem Ziel der Vertraulichkeit von nichtöffentlichen Sitzungen in manchen Fällen entspricht oder nahekommt. In diesen Fällen ist aus Gründen der Amtsverschwiegenheit Geheimhaltung über den Inhalt der Sitzung geboten. Dieser Geheimhaltungstatbestand in Artikel 20 Abs.3 B-VG könnte in Einzelfällen als mit der Meinungsäußerungsfreiheit vereinbar angesehen werden (Einschränkung „um die Verbreitung vertraulicher Nachrichten zu verhindern“), ganz gewiss ist eine allgemein formulierte und so weit reichende Verschwiegenheitspflicht jedoch eine Verletzung von Artikel 10 Europäische Menschenrechtskonvention. Tatsächlich wird diese Bestimmung in der Praxis auch nicht eingehalten. In Vöcklabruck etwa veröffentlicht die ÖVP regelmäßig Informationen aus den Ausschüssen und berichtet dabei ausdrücklich auch über die Inhalte der Beratungen (insbesondere um andere Fraktionen zu kritisieren).